Recht schreiben. Der Podcast über gutes Legal Design.

Dr. Jens Jeep

RS009 Die Corona-Verordnungen und was man dazu wissen muss, um mitdiskutieren zu können.

Notar Dr. Jens Jeep und Rechtsanwalt Michael Böcken nehmen die neuen Corona-Verordnungen unter die juristische Lupe - leicht verständlich auch für Nichtjuristen.

10.01.2021 145 min

Zusammenfassung & Show Notes

Mit dieser sehr aktuellen und zugleich absehbar sehr aktuell bleibenden Folge wollen wir versuchen, unsere Hörerinnen und Hörer mit dem nötigen Rüstzeug auszustatten, sachlich, rational und wissensbasiert über die neuen Corona-Maßnahmen der Bundesregierung und der Landesregierungen zu diskutieren.

Wir spannen den Bogen der angesprochenen Themen dabei bewusst sehr weit, um möglichst alle relevanten, auch naturwissenschaftlichen und technischen Gesichtspunkte anzusprechen. Wer diesen Podcast hört, sollte möglichst alles erfahren, was er oder sie zum heutigen Zeitpunkt wissen muss, um sich eine eigene, sachlich fundierte Meinung über die einschneidenden Corona-Maßnahmen bilden zu können. (Natürlich gibt es immer noch mehr zu erfahren, aber wir hoffen, hier wirklich alles Wesentliche abgedeckt zu haben.)

Wir, das sind Notar Dr. Jens Jeep und Rechtsanwalt Michael Böcken, sprechen über das Corona-Virus SARS-CoV-2 und die Krankheit COVID-19, über die Übertragungswege, die Besonderheiten im Vergleich etwa zur Grippe oder dem Ebla-Virus. Wir erläutern, welche Schutzmaßnahmen es nach aktuellem Stand gegen eine Infektion gibt. Wir erklären vor allem auch die Unterschiede zwischen Alltagsmasken, medizinischen Masken und FFP2-Masken.

Wer wissen möchte, welche Erfahrungen ein mittelschwer an COVID-19 erkrankter Mensch macht, dem sei an dieser Stelle die Folge 5 des Podcasts "Meaningful Encounters" empfohlen. Dort berichtet Karoline Preisler, die sich bereits im März 2020 bei ihrem Mann angesteckt hat und nach einem Krankenhausaufenthalt noch neun Monate mit dem Folgen von "Long Covid" zu kämpfen hatte, über ihre ganz persönliche, sehr prägende Begegnung mit dem Virus.

Wir begleiten unsere Hörer sowohl durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) als auch durch die auf dessen Basis nach der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin und der MinisterpräsidentInnen der Bundesländer am 5. Januar 2021 erlassenen aktuellen Landesverordnungen vom Jahresbeginn 2021 (am Beispiel der Hamburger Verordnung) und erläutern, was es mit Gesetzen und darauf basierenden Rechtsverordnungen auf sich hat. Es wird auch erklärt, warum das Infektionsschutzgesetz zwar ein Ermächtigungsgesetz ist, aber nichts mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 gemein hat.

Und wir führen unsere Hörer außerdem durch das Konzept der Grundrechte in unserem Grundgesetz nebst ihren zulässigen Beschränkungen und erklären das Verfahren der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von solchen Eingriffen in die Grundrechte.

Und schließlich weiten wir den Blick auf ein längst geltendes, im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie aber überaus relevantes Gesetz, welches jeden Bürger davon abhalten sollte, leichtfertig andere Menschen in Gefahr zu bringen: Das Strafgesetzbuch. Wir wissen aus der rechtlichen Behandlung der Ansteckung von anderen Menschen durch eine HIV-Infektion und der Tötung von Verkehrsteilnehmern durch illegale Rennen in Innenstädten, dass hier nicht nur fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Tötung im Raum stehen, sondern sogar vorsätzliche Körperverletzung, Totschlag und sogar Mord. Damit wollen wir deutlich machen, dass der ausschließliche Blick auf die Bußgelder der Coronaverordnungen für bestimmte Verhaltensweisen möglicherweise der falsche Fokus ist.

Wir werden in diesem Podcast ab und zu auch eigene Meinungen äußern, eigene Einschätzung abgeben und Kritik am Gesetz- und Verordnungsgeber üben. Wir halten uns damit aber bewusst zurück, wir machen dies immer deutlich und wir trennen dies von den Fakten.

Denn im Wesentlichen dient diese Folge dazu, den Hörer und die Hörerin dazu zu bringen, sich eine eigene rechtlich fundierte Meinung zu bilden, um dann guten Gewissens darüber diskutieren zu können, ob einzelne Maßnahmen sinnvoll oder sinnlos sind, ob sie zu weit gehen oder eben auch gerade nicht weit genug, ob sie rechtlich haltbar sind oder möglicherweise rechts- und verfassungswidrig. Diese Debatte ist wichtig, aber sie benötigt unseres Erachtens vor allem eins: Sachlichkeit und Sachverstand. Wir hoffen sehr, dazu mit dieser Folge einen Beitrag leisten zu können.

Außerdem werden - ganz im Sinne des Oberthemas dieses Podcasts - auch einige Regeln für gutes Legal Design an praktischen Beispielen erläutert. Leider wie so oft an solchen, bei denen gegen diese Regeln verstoßen wird:
  • Querverweise in Gesetzen sollten bestmöglich vermieden werden
  • Gesetze werden für den Leser gemacht, nicht für den Schreiber. Kürze ist kein Selbstzweck. 
  • Querverweise nach hinten können und sollten dadurch vermieden werden, dass Definitionen vorangestellt werden und nicht nachfolgen (anders leider § 5 Abs. 1 IfSG).
  • Nachträglich in eine Gesetz eingefügte Paragrafen mit Kleinbuchstaben (z.B. § 28a IfSG) leiden oft darunter, dass sie nicht mit der gleichen Sorgfalt in Bezug auf das Gesamtsystem des Gesetzes formuliert werden als ihre älteren Geschwister ohne Buchstabenzusatz, weshalb sich der Gesetzgeber hier besondere Mühe geben müsste.
  • Wenn eine Gebots- oder Verbotsnorm verstanden werden soll, darf sie keinen Querverweis enthalten, Sonden sollte die entscheidenden Voraussetzungen besser wiederholen (anders leider § 4 Abs. 1 der Hamburgischen Corona-Verordnung). 
Dass das Sprechen über juristische Fragen - bei aller Ernsthaftigkeit des Themas -  auch Spaß machen darf, wird hoffentlich eine weitere Erkenntnis am Ende dieses Podcasts sein. Bei der Erklärung des Prinzips der praktischen Konkordanz von Grundrechten bedienen wir uns etwa der Hilfe von AC/DC.

Und ja, ab und zu wird es auch etwas nerdig, etwa wenn zwei Juristen die Unterschiede zwischen Beschluss und Vereinbarung diskutieren, zwischen Urteilen und Beschlüssen und zwischen einstimmigen und allstimmigen Beschlüssen. Aber wir versprechen eines: All dies macht absolut Sinn. Und die Genauigkeit bei der Verwendung von Begriffen hilft, in der Debatte den eigenen Standpunkt korrekt darzustellen und Missverständnisse zu vermeiden. Dies ist uns in einer Zeit, in der der öffentliche Diskurs (gerade auf sozialen Medien) von ungewollten und zum Teil leider auch gewollten Missverständnissen geprägt zu sein scheint.

Diese Podcastfolge ist so kurz wie möglich, aber dennoch so lang wie nötig. Sie ist damit zwar viel kürzer als die gesammelten (sehr guten) Podcasts des Virologen Prof. Drosten im NDR, aber doch erheblich länger als eine "normale" Folge in diesem Podcast. Man kann diese Folge aber auch gut in Abschnitten hören.

Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie sich als HörerInnen insgesamt die Zeit nehmen, die ganze Folge zu hören.

Wir haben bewusst viele Kapitelmarken eingefügt. Damit ist es zum einen leicht, eventuell Altbekanntes überspringen zu können (das richtet sich aber am ehesten an Juristen). Zum anderen soll es einen Überblick über die Inhalte ermöglichen und das Wiederfinden von Inhalten erleichtern. Die Chapter sind damit zugleich auch eine Gliederung aller angesprochenen rechtlichen und naturwissenschaftlichen Fragen.

Außerdem finden sich als weiterer Service alle besprochenen Rechtstexte als Chapter-Art bei den jeweiligen Kapiteln wieder - man kann also in den meisten Podcast-Playern mitlesen, worüber wir hier sprechen.

Wir hoffen sehr, mit diesem Podcast einen wichtigen Beitrag zur Debatte um wirksame und rechtmäßige Regeln und Verhaltensweisen im Kampf gegen das Corona-Virus leisten zu können.

Wenn Sie meinen, dass uns dies gelungen ist, wären wir Ihnen und Euch sehr dafür dankbar, wenn dieser Podcast - der auf allen Plattformen zu hören ist, also auch bei Spotify, iTunes, Google, usw. - breit im Familien-, Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis empfohlen und in sozialen Medien geteilt würde.

Disclaimer/Haftungsausschluss:

Wir sind Juristen und keine Naturwissenschaftler. Wir können einem Virologen nicht dessen Beruf erklären. Wir sind aber in der Lage zu verstehen, wenn ein Virologe uns seine Erkenntnisse erklärt. Und diese Erkenntnisse möchten wir hier teilen. 

Aber auch als Juristen sind wir keine Experten in jedem Teilbereich der Juristerei. Dennoch sind wir mit zusammen über 70 Jahren Erfahrungen mit der Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis in der Lage, ein recht weites Feld an Normen und grundlegenden Prinzipien zu überblicken und - so hoffen wir - damit auch für den Laien etwas Durchblick zu schaffen.

Der Preis für möglichst große Verständlichkeit ist dennoch leider in fast jedem Fachgebiet, dass man geringe Einbußen an der Präzision in Kauf nehmen muss. Wir sind aber überzeugt, dass diese nicht zu einer anderen Einordnung in den grundlegenden Fragen führen oder gar hier wiedergegebene Erkenntnisse in ihr Gegenteil verkehrt.

Wenn es uns dabei auch in den Augen (und Ohren) von absoluten Experten gelungen sein sollte, zu wenigstens 80 bis 90% alles auch im Detail richtig oder jedenfalls nicht falsch wiederzugeben, dann möge man uns bitte die fehlenden Prozente verzeihen.

Wir können aber natürlich wir keine Haftung für die Inhalte dieses Podcasts übernehmen, der weder eine rechtliche noch eine medizinische Beratung darstellt. Wir sind auch in unseren jeweiligen Professionen nicht die richtigen Ansprechpartner für eine solche Beratung. Wir nehmen diesen Podcast nicht aus beruflichen oder gar kommerziellen Gründen auf. Er enthält daher natürlich auch keine Werbung.

In diese Podcastfolge sind weit über 100 Stunden Arbeit an Recherche, Vorbereitung und Produktion geflossen. Wir hoffen daher sehr, dass uns keine relevanten Fehler unterlaufen sind.

Falls dies anders sein sollte, bitten wir um Hinweise und werden das in den Shownotes korrigieren.

Korrekturen:

1.
Jens Jeep hat sich verrechnet: Bei der Frage, wie lange es bei einer potentiell beim Gegenüber ankommenden Viruslast von 400 Viren pro Sekunde bräuchte, damit die Ansteckungslast von 10.000 Viren erreicht ist, sagt er so spontan wie falsch: 20 Sekunden. Wer rechnen kann, ist im Vorteil: Es sind 25 Sekunden.

Darum ging es bei der Rechnung: Das Tragen von jeweils einer FFP2-Maske verlängert diese Zeit um das 400-fache, also auf 10.000 Sekunden. Dies sind 166,66 Minuten. Oder 2 Stunden und 46 Minuten. Zwei durchschnittliche Alltagsmasken würden die Zeit hingegen nur um das 4-fache verlängern, also auf 100 Sekunden oder 1 Minute und 40 Sekunden. Damit wollen wir zeigen, dass die mangelnde Differenzierung zwischen der Art der Maske bei der Maskenpflicht fatal ist und die AHA-Regel Menschen in eine fragwürdige Sicherheit wiegt.

2.
Die Hamburgische SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung in der von uns besprochenen Fassung galt - trotz des anderslautenden Textes in der Verordnung selbst - tatsächlich nur für drei Tage und wird ab dem 11.01.2021 dann von der hier verlinkten Fassung abgelöst. Für unseren Podcast relevante Änderungen haben wir bisher nicht gefunden. Falls es diese geben sollte, wären wir für eine Mitteilung dankbar. Ebenso über einen Hinweis eines öffentlich-rechtlichen Experten, welchen rechtlichen Hintergrund diese doch recht unübersichtliche Art der Normsetzung hat. (10.01.2021)